Info über Biodynamik
Die therapeutische Schule der Biodynamik wurde von der norwegischen Psychologin und Physiotherapeutin Gerda Boyesen (geb.1922) entwickelt. Sie durchlief Anfang der 50er Jahre während ihres Psychologiestudiums eine Analyse bei Ole Raknes, einem norwegischen Reich-Schüler. Da sie den Wunsch hatte, Körper-Psychotherapeutin zu werden, folgte sie dem Rat der Psychotherapeuten, die bei Reich gelernt hatten, und absolvierte eine Ausbildung als Physiotherapeutinbei bei Adele Bülow-Hansen, die in Zusammenarbeit mit dem Psychiater und Psychoanalytiker Trygve Braatoy eine neue Methode der Massagebehandlung von psychiatrischen Patienten entwickelt hatte. Gerda Boyesen erweiterte die Theorien Wilhelm Reichs um einen entscheidenden Beitrag. Sie beschäftigte sich mit tieferen Prozessen des vegetativen Nervensystems und entdeckte die Rolle der viszeralen Panzerung bei der Entstehung psychischer Störungen (d. h. dass die glatte Muskulatur der inneren Organe und Eingeweide, ebenso wie die willkürliche Muskulatur des Bewegungsapparates, «gepanzert» sein kann) und die Bedeutung der Peristaltik für deren Behandlung.
Nach zehnjähriger Tätigkeit in verschiedenen psychiatrischen Kliniken und in eigener Praxis ging Gerda Boyesen 1968 nach London. Dort integrierte sie die aus Amerika über London nach Europa einströmenden Methoden der humanistischen Psychologie und Psychotherapie, entwickelte ihre eigenen Methoden weiter und begann Therapeuten auszubilden. Während dieser Zeit in London lieferten auch Clover Southwell, Ebba und Mona-Lisa Boyesen neben weiteren Mitarbeitern wichtige Beiträge zur Entwicklung der Biodynamischen Psychologie.
Die körper-psychotherapeutische Arbeit am Zentrum für Biodynamische Psychologie und Körperarbeit baut auf drei praktischen Pfeilern und deren theoretischen Hintergrund auf:
Körperprozesse (Vegetotherapie und Körperpsychotherapie nach reichianischen und biodynamischen Grundsätzen, Segmentarbeit nach Wilhelm Reich, körperliche Wahrnehmung und Ausdruck, Atem, Charakteranalyse, Bewegung, Übungen zu allen Bereichen)
Berührung und Massage nach Gerda Boyesen
Beziehung nach klientenzentrierten, analytischen und körper-psychotherapeutischen Modellen.
Im Menschenbild der biodynamischen Therapie ist das Prinzip der Selbstregulation sehr zentral. Hat der Mensch seine ursprüngliche Flexibilität und energetische Pulsation wiedergewonnen, so ist die Möglichkeit der Selbstregulation gegeben. Er kann sich der Aussenwelt öffnen und sich von ihr abgrenzend dem eigenen Selbst zuwenden. Dieses frei bewegliche Selbst hat Wachstums- und Selbstheilungskräfte zur Verfügung, mittels derer es aus eigenem, inneren Impuls auf die Welt zugehen kann. Das sogenannte «falsche Selbst» iat stets reaktiv in starren Mustern auf die Umwelt fixiert und zu wenig Wachstum fähig. Der Mensch entfremdet sich von der wahren inneren Natur weg, hin zu einem angepassten Selbst. Biodynamische Therapie besteht darin, das eigene innere Wesen wiederzufinden, ursprüngliche Gefühle und Impulse auftauchen zu lassen und optimal zu regulieren.
In der biodynamischen Körperpsychotherapie, der Arbeit mit Körperprozessen, geht es hauptsächlich um die Wahrnehmung des ganzen körperlichen und emotionalen Bereiches und die emotionale Entladung und Integration verdrängter, nicht gelebter Gefühle. Konkret heisst das, dass mit dem «dynamischen Aufsteigen» von unterdrückten Emotionen, Erinnerungen und Impulsen, die aus Kindheitserlebnissen stammen, gearbeitet wird, in welchen der emotionale, vasomotorische Zyklus unterbrochen und somit die Libidozirkulation gestört wurde. In einer Sitzung wird angestrebt, diesen Zyklus zu vollenden, damit die Energie wieder frei fliessen kann. Die Biodynamik hat verschiedene Methoden entwickelt, um das «dynamische Aufsteigen» unterdrückter Gefühle zu unterstützen. Dazu gehören z. B. Massage, Atemarbeit, Stressübungen, Orgonomieübungen. Mittels dieser Methoden kann sich die Abwehr lockern und innere Impulse können auftauchen. Es gilt dabei eine sorgfältige Balance zu halten zwischen Provokation und Integration, zwischen Ansprechen oder Anrühren des Charakterpanzers und dem Aufbau eines verbesserten Körpergefühls. Ziel der Vegetotherapie ist es, dass der Mensch wieder in Kontakt mit seinen energetischen Strömen kommt. Das ermöglicht ihm wieder mehr Vertrauen zu sich, seinen Körperwahrnehmungen und Gefühlen zu entwickeln. Unerlässlich ist es dabei, mit den im Laufe der psychischen und körperlichen Entwicklung entstandenen charakterlichen Mustern zu arbeiten, die je nach Persönlichkeit, Störung und Entwicklungsphase verschiedene Ausformung haben können.
Berührung und Massage
Der Berührung und Massage wird in der Biodynamischen Körperpsychotherapie viel Bedeutung zugemessen. Reichs körperliche Technik war auf das Auflösen von Blockaden und das deutende Analysieren des Charakter- und Körperpanzers konzentriert, während die Biodynamik über ein sowohl körperliches wie psychisches «Halten» und «In-Kontakt-Treten» einen Boden schafft, auf dem sich Blockaden durch das wiedergewonnene Vertrauen zu lösen beginnen. Hierzu dienen, nebst der Fokussierung auf die Atmung und die Funktion der Darmperistaltik, eine Vielzahl von Berührungs- und Massagetechniken, welche eine energetisch und psychisch integrierende und regulierende Wirkung haben. Der Biodynamische Massagetherapeut behandelt den Körper auf vielen verschiedenen Ebenen: auf den verschiedenen Ebenen des Energiefeldes des Körpers, der Hautebene, der Bindegewebsebene, der Sehnen und Muskeln und der Knochenhaut. Im weiteren arbeitet der Therapeut intentional, d. h. mit bestimmten Absichten, wie z. B. eine Harmonie auf allen Ebenen des Energieflusses zu erreichen, Sicherheit zu geben, grundlegenden Kontakt aufzubauen usw. Der Therapeut geht auf die durch die Massage ausgelösten Erfahrungen ein und arbeitet mit den psychischen und emotionalen Zuständen, die auftreten können. Die Einbeziehung der Atmung ist dabei ein wichtiger Bestandteil der Massage, die sich in drei Bereiche unterteilt:
Bioreleasemassagen:
Diese wirken vor allem präventiv. Diese Methoden wendet man vor allem bei gesunden Menschen an – bei nervösem Stress, emotionaler Überlastung und muskulären Spannungen. Diese Massagen sind keine Methoden, um stärker psychosomatisch betroffene Menschen zu behandeln.
Biodynamische Massagen:
Gerda Boyesen entwickelte im Laufe ihrer Arbeit zahlreiche Massagemethoden. Diese helfen körperliche Spannung und Druck abzubauen und die Energie in harmonischer Weise zu verteilen. Sie können vegetative Reaktionen und emotionale Katharsis provozieren und damit ein besseres emotionales Gleichgewicht wiederherstellen. Das Stethoskop ist ein wichtiges Instrument in der biodynamischen Massage. Es dient als Feedbackgerät, um die Bauchtöne abzuhören, und der Therapeut erhält damit, über die Erfassung der Bewegung der Darmperistaltik (Psychoperistaltik), indirekt Aufschluss über den Funktionszustand des autonomen Nervensystems.
Deep Draining
Eine von Gerda Boyesen entwickelte Massagetherapie, die das Ziel hat, die neurotische Haltung und das eingeschränkte Atemmuster aufzulösen. Deep Draining steht in enger Verbindung zur biodynamischen Vegetotherapie, auch hier können starke vegetative Reaktionen den Prozess auf emotionaler Ebene begleiten.
Beziehung
Die Beziehung zwischen Klient und Therapeut ist in der Körperpsychotherapie ein komplexes Gebilde. Interaktion findet im verbalen und körperlichen Austausch statt und hat immer auch einen Beziehungsaspekt. Die Biodynamische Körperpsychotherapie, wie sie an unserem Institut gelehrt wird, ist eine klientenzentrierte und prozessorientierte Therapie. Für die Arbeit mit Körperprozessen verwenden wir Modelle von Reich, Keleman, Boyesen und anderen, in denen Begriffe wie somatische Resonanz, vegetative Identifikation, Bonding, wichtig sind. Die Person steht mit ihrem Körper und mit ihrer inneren Welt im Zentrum des Prozesses. Der Therapeut lässt sich auf diese Welt ein und geht mit dem Prozess mit. Er geht den Schutzwall, den sich der Klient durch seine Neurose geschaffen hat, nicht gewaltsam an, geht nicht provokativ über Widerstände hinweg, sondern arbeitet mit den Widerständen.
Der körperliche und der verbale Dialog ist die grundlegendste Form der therapeutischen Beziehung in unserer Arbeit. Der Therapeut ist einerseits als Person mit ihren Fähigkeiten und ihrem Seinsvermögen anwesend und nimmt andererseits verschiedene Rollen ein: er ist demzufolge Dialogpartner, Regisseur, Begleiter, Anleiter, Behandelnder, Projektionsfigur. Während der Vegetotherapie, die in verschiedene Stufen der Regression führen kann, verhält sich der Therapeut gemäss den Erfordernissen der verschiedenen Entwicklungsstufen.